Das menschliche Gehirn ist ein Wunderwerk, ungeschlagen in seiner Fähigkeit zum unbewussten Lernen: Den ganzen Tag ist es nur damit beschäftigt, seine Umgebung wahr- und Informationen aufzunehmen. Das Wenigste davon wird uns tatsächlich bewusst. Doch alles, was den Menschen umgibt und womit er sich beschäftigt, hinterlässt Spuren im Gehirn und versetzt ihn in Bereitschaft, Dinge zu tun – ohne dass er sich bewusst dazu entschlossen hätte. Die Wissenschaft nennt diesen Vorgang Priming. Ein besonders wirksames Instrument, um gezielt auf Hirne und ihre Menschen einzuwirken, ist natürlich die Sprache. Das gilt nicht nur in der PR, sondern quer durch alle Branchen.

Priming ist jedoch ein zweischneidiges Schwert, es hat nicht nur positive Effekte. Das Wort „schnell“ ist hier ein sehr gutes Beispiel. Es ist praktisch eine Seuche und in der westlichen Welt viel zu oft zu hören und zu lesen. Dennoch wird das Adjektiv immer häufiger gebraucht. Das Problem: Das kurze Wörtchen hat es in sich. Einmal löst es Zeitdruck auf die handelnde Person aus. Und dann verleitet es dazu, schlecht zu planen, weil die Zeit, die ein Vorgang tatsächlich braucht, grob unterschätzt wird:
 

  • Im Kundendienst: „Ich frage nach und rufe Sie dann schnell zurück.“ – Bis zum Rückruf dauert es dann aber eine ganze Weile.
  • Kurz vor dem Meeting: „Ich verschwinde nur mal schnell auf’s Klo!“ – Sprach der Kollege und bleibt eine halbe Stunde lang verschwunden.
  • Beim Familienfrühstück: „Wir müssen uns nur noch schnell anziehen, dann können wir los!“ – Kennen Sie ein Kind, das sich schnell anzieht? Eben!
     

Diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Einzige Ausnahme ist vielleicht der heilige Nikolaus, der wirklich schnell – also binnen einer Nacht – Geschenke für alle Kinder dieser Welt ausliefern soll. Doch auch hier ist der Task doch eher, dass wirklich alle Kinder weltweit bedacht werden, oder? Der tatsächliche Arbeitsauftrag lautet also vielfach ganz anders, eben nicht „schnell“. Hier einige Bespiele:
 

  • An das Lektorat: „Bitte diesen Text sorgfältig Korrektur lesen!“
  • An die Compliance-Abteilung: „Diese Aussage bitte sachlich überprüfen.“
  • An den Einkauf: „Bitte die Weihnachtskarten rechtzeitig erwerben.“
  • An die Geschäftsführung, die die Weihnachtspost signieren soll: „Diese Karten bitte leserlich unterzeichnen – oder weiterdelegieren.“
  • An das Sekretariat: „Bitte mit meinem Namen unterschreiben.“– Zur Info: US-Präsident John F. Kennedy etwa hatte 15 Sekretärinnen, die mit seinem Namen unterschrieben haben.
     

„Ist das nicht Wortklauberei?“, wird mancher kritischer Geist jetzt fragen. Nein. Mit modernen Methoden der Hirnforschung lässt sich klar zeigen: Jedes Wort hinterlässt auf der körperlichen Ebene, und damit auch auf der Ebene des Verhaltens und der Stimmung seine Spuren. Es ist also nicht ohne Belang, welche Worte wir gebrauchen. Je öfter es heißt „Bitte schnell erledigen“, umso nachhaltiger werden wir geprägt auf Hast und Eile – und eben nicht auf Qualität, Kreativität, auf Sinn und Sorgfalt.

Nun ist der sorgfältige Umgang mit Worten für viele ungewohnt und zum Teil wirklich nicht ganz einfach. Aber er lohnt sich. Denn er stellt eine ganz einfache und völlig kostenlose Möglichkeit dar, mehr Klarheit, mehr Verbindlichkeit, mehr Wertschätzung und Freude ins (Arbeits-)Leben zu bringen. Viel Vergnügen beim Ausprobieren und eine schöne Advents- und Weihnachtszeit!